SV-Tipp 12

L wie "Lernen und Leistung"

Im ersten SV-Tipp im neuen Jahr soll es um das Lernen gehen. Wie sieht es mit der Lernkultur in Rheinland-Pfalz aus und was könnte mensch verändern? Dazu wollen wir euch hier Informationen und Anregungen bieten.


Lernen und Lehren in Rheinland-Pfalz

Was bedeutet Lernen in unserem Schulsystem eigentlich? Wieso lernen wir jeden Tag? Lernen sollte in erster Linie Selbstzweck sein. Wir wollen zur Schule gehen, um uns zu bilden, d.h. um für uns selbst Wissen anzuhäufen, um unsere Interessen zu finden und uns nach unseren Fähigkeiten weiterzubilden. Doch im aktuellen Schulsystem ist das leider nicht möglich. Landesweit geltende Lehrpläne und Bestimmungen schränken die Möglichkeiten des Lernens ein. Aktuell geht es in der Schule nicht darum, sich möglichst gut selbstständig zu bilden, sondern das Hauptaugenmerk liegt darauf, dass SchülerInnen alle das Gleiche und zum gleichen Zeitpunkt lernen – für individuelle Entfaltung der Talente Einzelner bleibt also weder Platz noch Zeit. Im Gegenteil, die einzelnen Themen werden den SchülerInnen aufgezwungen und letztere werden ständig unter Druck gesetzt. Dass so kein angenehmes Lernklima entstehen kann, ist offensichtlich.


Selbstbestimmtes Lernen

Aktuell besteht schulisches Lernen also mehr aus Auswendiglernen von Methoden oder Meinungen, die für den größten Anteil der SchülerInnen uninteressant und entgegen der Meinung vieler PolitikerInnen auch im späteren Leben unbrauchbar sind. Die Lernlandschaft hat sich durch das Medium Internet, in dem solche Informationen in aller Schnelle abgerufen werden können, stark verändert. Wie sollte Lernen dann heute aussehen?

Statt des sturen Auswendiglernens von Fakten sollten viel mehr die Talente und Interessen der SchülerInnen im Vordergrund stehen. Natürlich sollte jedeR in der schulischen Laufbahn einige Grundkompetenzen bspw. in Mathematik beigebracht bekommen. Sobald diese stehen, sollten sich SchülerInnen jedoch selbstständig weiterbilden können. LehrerInnen spielen dabei eine betreuende Rolle, sie sollen die SchülerInnen lediglich bei ihrem Lernprozess unterstützen, ohne jedoch weisend in den Prozess einzugreifen. Dass diese Art des Lernens sogar erfolgreicher ist als angeleitetes (Auswendig-)Lernen ist logisch, denn ein Thema, für das mensch sich interessiert, wird selbstverständlich besser und einfacher gelernt als eines, das gelernt werden muss.


Lern- und Leistungsdruck

In regelmäßigen Abständen werden in unseren Schulen Prüfungen geschrieben. Dabei müssen alle SchülerInnen zu einem gewissen Zeitpunkt auf dem gleichen Stand sein, um eine gute Note zu erreichen. Allerdings sind die Begabung sowie das Verständnis für bestimmte Themen natürlich von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Dadurch entsteht ein gewisser Druck bei den SchülerInnen, die das Thema nicht so schnell begreifen. Sie wollen natürlich genauso gut sein wie die „besseren“ SchülerInnen und sind dementsprechend enttäuscht, wenn sie eine schlechtere Note bekommen. Beim nächsten Mal lasten der Druck und die Angst zu versagen nur noch stärker auf dem/der SchülerIn – es entsteht ein Teufelskreis. Dabei bedeutet eine schlechte Note nicht, dass mensch dumm ist. Im Gegenteil, alle können den Stoff begreifen, vorausgesetzt, sie haben genügend Zeit. Doch nach einer Prüfung werden die Fehler nicht verbessert oder das Thema individuell vertieft, sondern es wird einfach zum nächsten Thema im Lehrplan übergegangen. Defizite können so nicht aufgeholt werden und die Fehler, die gemacht wurden, werden weiterhin gemacht und führen auch in Zukunft zu schlechten Noten.


Alternativen

Da eine Änderung der Bestimmungen und eine Lockerung der Lehrpläne nicht in Sicht ist, bleibt eine Frage: Was können wir als SVen dafür tun, um ein selbstbestimmtes Lernen zu ermöglichen? Dazu wollen wir euch einige Anregungen geben:

  • Freie Lernphasen

Ein erster großer Schritt wäre es, einige freie Lernphasen in den Regelunterricht einzugliedern. Dazu könnt ihr als SV einen Antrag an die Gesamtkonferenz oder auch an die einzelnen Fachkonferenzen stellen. Beispielsweise könntet ihr eine Forderung aufstellen, nach der die SchülerInnen zu einem bestimmten Thema in einem Fach selbstständig Informationen suchen und auswerten können, wobei ihr eigenes Interesse im Vordergrund steht. Die Lehrkraft soll dabei den SchülerInnen zur Seite stehen und ihnen bei aufkommenden Problemen helfen, sie soll allerdings keine direkten Vorgaben machen. Auch eine Bewertung sollte am Ende des Projektes nicht erfolgen, da sich das Lernen dann wieder an die Vorgaben der Lehrkraft halten müsste, um eine gute Bewertung zu erhalten.

  • Kostenfreies Zusatzangebot

Die Forderung nach Lernphasen innerhalb des Unterrichtes ist vielleicht nicht einfach durchzusetzen, zumal LehrerInnen sich an strenge Vorgaben halten müssen. Sollte ein solcher Antrag also scheitern, könnt ihr es auf einem anderen Weg versuchen. Bestimmt findet sich an eurer Schule einE LehrerIn, die eine AG am Nachmittag oder zu Freistunden betreuen würde. Er oder sie könnte euch dabei helfen, einen eigenen Lernrhythmus zu finden und euch nützliche Tipps geben, wie ihr selbstständiger und selbstbestimmter lernen könnt. Es entsteht eine entspannte Lernatmosphäre, in der auch SchülerInnen, die aus sozial schwachen Familien kommen, eine Art Nachhilfe und Lernbetreuung erhalten können, die sie zu Hause wahrscheinlich nicht bekommen könnten. Bei einem solchen System bleiben die Probleme im Regelunterricht zwar bestehen; wenn das Projekt jedoch erfolgreich ist, sollte es einfacher sein, eine selbstbestimmte Lernphase auch in den Regelunterricht zu integrieren.

  • Feedback

Um das Problem des Leistungsdrucks in Angriff zu nehmen, könnt ihr als SV an eurer Schule in einigen oder sogar allen Klassen und Kursen eine so genannte Feedbackkultur einführen. Diese könnt ihr dann bei einigen Arbeiten bzw. Vorträgen verwenden, um den Druck von den SchülerInnen zu nehmen. Dadurch haben alle die Chance, das Gehörte zu reflektieren und dem/der Vortragenden nützliche Tipps für die Zukunft zu geben. Die Arbeit wird also ausreichend kommentiert und Verbesserungsvorschläge sowie positives Feedback helfen, sich zu verbessern. Auch wenn ein Vortrag nicht sehr gut war, wird der/die Vortragende durch das Feedback nicht demotiviert, wie es bei einer nahezu unkommentierten schlechten Note der Fall wäre.

Unbedingt einhalten solltet ihr dabei die Grundsätze der Feedbackkultur, die ihr auch zusammen absprechen solltet. Auch wenn es Noten weiterhin geben wird, könnt ihr so erreichen, dass das Lernen einigen leichter fällt und mensch für eine eher schlechte Leistung nicht sofort bestraft wird, sondern die Chance bekommt, es beim nächsten Mal besser zu machen.