Schulstrukturreform: Die Entschlossenheit fehlt

An die Vertreterinnen und Vertreter der Medien

Mainz, 6. November 2008

P R E S S E M I T T E I L U N G der LandesschülerInnenvertretung Rheinland-Pfalz zur heutigen Anhörung des Ausschusses für Bildung und Jugend zur Schulstrukturreform in Rheinland-Pfalz

Die Entschlossenheit fehlt

Rheinland-pfälzische SchülerInnenvertretung fordert im Landtag mehr Mut


Heute, am 6. November 2008, nahm sich der Ausschuss für Bildung und Jugend im Mainzer Landtag eine Viertelstunde Zeit für die Schülerinnen und Schüler. Das ist nicht viel – und doch kritisierten die beiden VertreterInnen konstruktiv die Änderungen zu den Themen „Realschule plus“, SV-Bildung, SV-Wahlen und SchülerInnenbeförderung im neuen Schulgesetz. Sie forderten eine größere Aufwertung der Integrierten Gesamtschulen, ein Stimmrecht der SchülerInnen im Schulträgerausschuss, eine Aufwertung des Schulausschusses und vieles mehr.

Die Schulstrukturreform, die keine ist

„Mit ‚Realschule plus’ wird ein baufälliges Drei-Klassen-System durch ein neues, aber ebenso kritisches und darüber hinaus noch provisorisches Zwei-Klassen-System ersetzt. Schule spiegelt die Gesellschaft wieder und ist gleichzeitig auch entscheidend für ihre Entwicklung“, so Innenreferentin Hanna Zoe Trauer zur neuen Schulform „Realschule plus“, die in Rheinland-Pfalz die Hauptschulen ablösen wird. „Die Schülerinnen und Schüler, die Betroffenen selbst, fordern seit langem eine Schule für alle. Die Landesregierung sollte Farbe bekennen und zeigen, dass sie für eine solidarische und gemeinsame Bildung steht. Bei der Aufwertung der Integrierten Gesamtschule hätten wir uns mehr Mut gewünscht.“

Gottesbezug im Schulgesetz: ein mittelalterliches Zeugnis, das leider bestehen bleiben soll

Außenreferent Julian Knop, der gemeinsam mit Hanna Zoe Trauer vor dem Ausschuss sprach, zum Passus „Erziehung zur Selbstbestimmung in Verantwortung vor Gott“: „Momentan impliziert das Schulgesetz, dass Schülerinnen und Schüler, die nicht zur Verantwortung zu Gott erzogen werden wollen, in Schulen keinen Platz finden - und das im ersten Paragrafen.“

Immer noch Schranken für die SchülerInnenpartizipation

„Wissen Sie, wie Entscheidungen an den Schulen getroffen werden? Die Gesamtkonferenz ist das höchste beschlussfassende Gremium einer Schule. Dort hat die Vertretung der Schülerinnen und Schüler nur Rederecht. Niemand aus der SV darf aktiv an der Abstimmung teilnehmen. Daran ändert sich nichts mit dem neuen Schulgesetz. Auf Kreisebene, das heißt im Schulträgerausschuss, haben die VertreterInnen überhaupt erst seit der Änderung das Recht, teilzunehmen. Und dann folgt die Landesebene: Dass hier die Partizipation der Schülerinnen und Schüler nicht zur Genüge gegeben ist, zeigt sich nicht zuletzt daran, dass das neue Schulgesetz an den Wünschen der Schülerinnen und Schüler völlig vorbeigeht“, so Hanna Zoe Trauer.

„Manche BildungspolitikerInnen scheinen sich einzubilden, dass Schülerinnen und Schüler keine Rolle im Schulleben spielen. Doch fehlende Partizipation der SchülerInnen ist nur ein kleiner Teil dessen, was in unserem Bildungssystem nicht stimmt“, so Julian Knop weiter. „Unsere Kritik war wohl treffend. Einige Gesichter, die genau wussten wie Recht wir haben, aber auch einige Gesichter, an welchen man die Frage ablesen konnte, was Schülerinnen und Schüler überhaupt hier zu suchen haben.“

Bei Fragen oder Anmerkungen wenden Sie sich bitte an unseren Pressereferenten Matthias Köberlein, E-Mail: presse[at]lsvrlp.de

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Anlage:
Stellungnahme der LSV Rheinland-Pfalz zur Anhörung
des Ausschusses für Bildung am 06. November 2008


- Es gilt das gesprochene Wort. -

An die Mitglieder des Ausschusses
für Bildung und Jugend
des rheinland-pfälzischen Landtages

Mainz, 6. November 2008

Anhörung des Ausschusses für Bildung und Jugend
zum Landesgesetz zur Änderung der Schulstruktur am 06.11.2008

Kommentierung der Vorschläge zur Novellierung des Schulgesetzes seitens des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft, Jugend und Kultur durch die Landesvertretung der Schülerinnen und Schüler an Gymnasien und Gesamtschulen in Rheinland-Pfalz

Die LandesschülerInnenvertretung (LSV) Rheinland-Pfalz steht den geplanten Änderungen des Schulgesetzes durch das Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Jugend und Kultur kritisch gegenüber. Während viele der vorgeschlagenen Änderungen zu begrüßen und seit langem nötig waren, sind andere für uns nicht nachvollziehbar. Vor allem jedoch haben wir weitere konstruktive Änderungsvorschläge.

Mehr Chancengleichheit in der LSV

In erster Linie freuen wir uns über die durch uns veranlassten Änderungsvorschläge zum § 35. Durch diese Änderung wird eine Umstrukturierung der Landesvertretung der Schülerinnen und Schüler an Gymnasien und Gesamtschulen hin zu einer Landesvertretung der Schülerinnen und Schüler aller Schularten mit Sekundarstufe I und II möglich sein. Dies haben die Schülerinnen und Schüler in ganz Rheinland-Pfalz seit langem gefordert, da die gemeinsame Vertretung ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Chancengleichheit ist.

Stillstand statt Schulstrukturreform

Im Gegensatz zu dieser Bewegung in Richtung Gemeinsamkeit stehen aus unserer Sicht allerdings die Vorschläge des Ministeriums zur Schulgesetzänderung und der damit verbundenen Schulstrukturreform in punkto „Realschule plus“. Zwar wurde anscheinend erkannt, dass die Hauptschule als solches überholt und weder für die Schülerinnen und Schüler, noch für die Gesellschaft mehr haltbar ist. Allerdings wurde daraus nicht geschlossen, dass an Stelle des selektiven Systems eine neue Schule treten muss, eine Schule, die nicht auf Ausschluss, sondern auf Integration basiert.

Mit „Realschule plus“ wird ein baufälliges Drei-Klassen-System durch ein neues, aber ebenso kritisches und darüber hinaus noch provisorisches Zwei-Klassen-System ersetzt. Schule spiegelt die Gesellschaft wider und ist gleichzeitig auch entscheidend für ihre Entwicklung. Eine moderne Gesellschaft wird durch eine zeitgerechte Schule geprägt. Mit der „Realschule plus“ wird die Chance auf eine echte Schulstrukturreform vertan, da sie nicht zeitgerecht ist und ihre Erprobung tief greifende Veränderungen in weite Ferne rücken lässt.

Die Schülerinnen und Schüler, die Betroffenen selbst, fordern seit langem eine Schule für Alle. Es ist bekannt, dass gemeinsames Lernen nicht nur dem Lernerfolg zuträglich ist, sondern auch die soziale Kompetenz stärkt. Schülerinnen und Schüler, die von Anfang an lernen, sich gegenseitig zu unterstützen und gemeinsam mit anderen Probleme zu lösen, profitieren davon ihr ganzes Leben lang. In einer solidarischen Schule legen wir den Grundstein für eine solidarische Gesellschaft, die Voraussetzung für eine funktionierende Demokratie ist.

Deutschland hingegen ist europaweit für ein unsoziales und selektives Schulsystem bekannt, in welchem sozial Schwächere schon beim Heranwachsen in unsere Gesellschaft „aussortiert“ werden und das Gefühl bekommen, weniger „wert“ zu sein als andere. Dies sollte inzwischen nicht nur den Schülerinnen und Schülern, sondern auch den Politikerinnen und Politikern aufgefallen sein - schließlich rügte die OECD 2007 das deutsche Schulsystem aus genau diesem Grund.

Rheinland-Pfalz könnte angesichts der anstehenden Reformen eine Vorreiterrolle einnehmen und zeigen, wie gute Bildung funktionieren kann. Stattdessen findet eine Symptombekämpfung statt. Die Hauptschule, das „Problemkind“, wird abgeschafft – doch die eigentlichen Ursachen bleiben unberührt. Rheinland-Pfalz braucht eine tatsächliche Schulstrukturreform, die diesen Namen verdient hat.

Aufwertung der Integrierten Gesamtschule

Die Aufwertung der Integrierten Gesamtschule zur gleichwertigen Schulart empfinden die Schülerinnen und Schüler als positiv. Angesichts der hohen Nachfragen von Schülerinnen und Schülern an Integrierten Gesamtschulen in den letzten Jahren halten wir es für nötig und sinnvoll, den Eltern- und Schülerinnen-/Schülerwillen zu erfüllen und die Gründung von Integrierten Gesamtschulen in Rheinland-Pfalz möglich zu machen.

Dennoch wünschen wir uns auch hier mehr Mut: Die Landesregierung sollte Farbe bekennen und zeigen, dass sie für eine solidarische und gemeinsame Bildung steht.

Integrieren statt kooperieren!

Auch innerhalb der Vorschläge der Schulstrukturreform beweist das Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Jugend und Kultur kein Selbstbewusstsein. Anstatt eine klare Richtung vorzugeben, bleiben sie bei einer unsicheren Zwischenlösung und lassen die Wahl zwischen kooperativer und integrativer „Realschule plus“ offen.

Diese Unsicherheit stellt die Lehrerinnen und Lehrer an den Schulen vor große Probleme. Bereits jetzt stellt sich heraus, dass die Lehrerinnen und Lehrer an den Hauptschulen sich grundsätzlich eher für die integrative, die Lehrerinnen und Lehrer an Realschulen eher für die kooperative Variante aussprechen. Der Konflikt, der hieraus erwächst, belastet das Schulklima nachhaltig, egal welche Lösung gefunden wird.

Die Schülerinnen und Schüler fordern deswegen klare Positionen seitens des Ministeriums. Die Möglichkeit der kooperativen „Realschule plus“ offen zu lassen ist eine einfache Art, sich aus der Verantwortung zu ziehen. Denn die kooperative „Realschule plus“ unterscheidet sich kaum von einer Realschule und einer Hauptschule, die unter einem Dach Platz finden. Schließlich wird auch hier selektiert - „erst“ oder eben doch „schon“ nach der sechsten Klasse. Anstatt dieser unausgegorenen Lösung sollte die integrative „Realschule plus“ als zukunftsweisenderes Konzept alleine stehen.

Einen weiteren konstruktiven Vorschlag haben die Schülerinnen und Schüler ebenfalls schon lange erarbeitet: Die gemeinsame Orientierungsstufe. Es ist schön, dass im Rahmen der neuen „Realschule plus“ die Schülerinnen und Schüler der momentanen Realschulen und Hauptschulen in der Orientierungsstufe zusammen lernen sollen. Die Gymnasiastinnen und Gymnasiasten bleiben allerdings von den momentanen Vorschlägen zur Reform vollständig unberührt. Damit eine wirkliche Änderung stattfindet, die alle betrifft, sollte das gemeinsame Lernen in der Orientierungsstufe alle Schularten betreffen – so würde die Zementierung der Zwei-Klassen-Gesellschaft langfristig vermieden.

Raum zum Lernen

Wir freuen uns, dass die Klassenmesszahl in der Orientierungsstufe der „Realschule plus“ auf 25 heruntergesetzt werden soll. Wir teilen die Ansicht, dass momentan zu viele Schülerinnen und Schüler mit zu wenigen Lehrerinnen und Lehrern auf zu engem Raum lernen müssen. Kleinere Klassen machen eine verstärkte Individualisierung möglich und tragen entscheidend zum Klassen- und somit Schulklima bei. Dieser Gedanke muss allerdings auf alle anderen Schularten und bis in die höheren Klassen fortgesetzt werden. Die Senkung der Klassenmesszahl auf 25 an allen Schularten und in jeder Jahrgangsstufe muss Ziel einer zukunftsgerichteten Schulpolitik sein.

Schulträgerausschuss

Im Rahmen der internen Umstrukturierung der LandesschülerInnenvertretung werden die momentan bestehenden Regionalen Arbeitskreise (RAKe) zu Kreis- und StadtschülerInnenvertretungen. Diese werden auf Kreis- und Stadtebene SchülerInnenvertretungsarbeit leisten und als Gremium auf gleicher Ebene mit dem Schulträgerausschuss zusammenarbeiten. Momentan werden die Schülerinnen und Schüler im Schulträgerausschuss ausgeschlossen und haben bestenfalls ein Anwesenheitsrecht, wenn dies auch die sonstige Öffentlichkeit hat.

Daran muss sich dringend etwas ändern! Gerade regional ist es den Schülerinnen und Schülern gut möglich, die Schulentwicklung als Betroffene einzuschätzen und realistische Forderungen an den Schulträgerausschuss zu stellen. Die Beteiligung von allen ist nötig, vor allem, da im Rahmen von „Realschule plus“ regional Entscheidungen getroffen werden, die die Situation der Schülerinnen und Schüler an ihren Schulen konkret beeinflussen.

Der Vorschlag zum neuen Schulgesetz sieht vor, den Schülerinnen und Schülern Anwesenheitsrecht im Schulträgerausschuss zu geben. Sie sollen dann vom Schulträgerausschuss eingeladen werden und an den Sitzungen teilnehmen. Ein Stimmrecht erhalten sie aber nach wie vor nicht. Dies sieht die Landesvertretung der Schülerinnen und Schüler sehr kritisch. Eine Beteiligung in Form von Anwesenheit ist nötig und sinnvoll, um Informationen zu erhalten und Themen zu diskutieren. Doch wenn kein Stimmrecht damit verbunden ist, führt die Anwesenheit schnell zu Resignation. Es ist für Schülerinnen und Schüler gerade mit wenig Vorerfahrung frustrierend, sich immer wieder zu Themen zu positionieren und zu sehen, dass ihre Meinung keinen konkreten Einfluss auf die Entscheidungen hat. Daraus resultiert im schlimmsten Fall eine Verdrossenheit, die dazu führt, dass die Schülerinnen und Schüler sich im Schulträgerausschuss gar nicht mehr beteiligen und sogar das Interesse an Politik wieder verlieren können.

Unserer Einschätzung nach ist es rechtlich durchaus möglich, eine Ausnahmeregelung zu finden, die es auch Schülerinnen und Schülern unter 18 Jahren erlaubt, am Schulträgerausschuss teilzunehmen. Dazu müsste im Schulgesetz lediglich eine Regelung verankert werden, die eine Abweichung zu § 44 der Gemeindeordnung vorsieht. Den Schülerinnen und Schülern würde dies ermöglichen, durch ihre Arbeit etwas zu verändern und zu bewegen – und ihnen allen das Gefühl geben, als Expertinnen und Experten auch eine Rolle zu spielen. Nur wenn die Jugendlichen sich ernst genommen fühlen, werden sie auch ihrerseits die Politik ernst nehmen.

Der Schulausschuss

Auch innerhalb der Schule sind die Strukturen nicht demokratisch und lassen die Mitbestimmung von allen Beteiligten nicht zu. Das einzige Gremium, das Mitbestimmung seitens der Schülerinnen und Schüler ermöglicht, ist der Schulausschuss. Dieser hat jedoch auch nach dem neuen Gesetzesvorschlag nur unzureichende Rechte.

Für die demokratische Kultur innerhalb der Schule ist es essenziell, dass wichtige Entscheidungen von allen Betroffenen getragen werden. Hierfür ist es substanziell, die vorhandenen Gruppen an den Entstehungsprozessen zu beteiligen. Aus diesem Grund fordern wir mehr Rechte und Kompetenzen für den Schulausschuss. Dessen Mitgliederzahl soll erhöht werden, um einen repräsentativeren Altersquerschnitt, vor allem auf Seiten der Schülerinnen und Schüler, zu gewährleisten. Unserer Meinung nach können drei Vertreterinnen oder Vertreter oftmals nicht die extrem heterogene Altersgruppe und die damit verbundenen unterschiedlichen Bedürfnisse und Belange, Sichtweisen und Meinungen vertreten. Hier muss der Demokratie innerhalb der Schule mehr Raum zugestanden werden. Wir alle sind uns bewusst, dass die in der Schule gewünschte und in Deutschland wichtige Demokratie Zeit und Aufwand benötigt. Dies muss innerhalb der Schule gegeben sein.

Darüber hinaus fordern wir eine Kompetenzerweiterung des Schulausschusses. Jede Entscheidung der Gesamtkonferenz, die das Schulleben, das heißt die Gestaltung der Schule, die Raumsituation, den Unterricht, Projekte und Aktionen (wie Tag der offenen Tür, Sommerfest), das Schulprofil, die Außendarstellung, sowie die Situation von Lehrerinnen und Lehrern innerhalb der Schule betrifft, soll vom Schulausschuss abgesegnet werden müssen.

Diese Forderung resultiert daraus, dass wir erkennen, dass die Gesamtkonferenz ein undemokratisches Gremium innerhalb der Schule ist und Entscheidungen fällt, die mehr Personen betreffen als nur die Stimmberechtigten selbst. Doch spätestens seit dem Bericht der Bund-Länder-Kommission und dem Programm „Demokratie leben und lernen“ wissen wir, dass es mehr Demokratie in der Schule braucht. Dazu zählt folglich, alle Betroffenen im Entscheidungsprozess mit einzubeziehen. Dies muss dabei mehr als ein Mitspracherecht bedeuten.

Die geforderte Demokratisierung der Punkte Schulträgerausschuss und Schulausschuss bedarf aktiver Leistungen. Denn um wirklich partizipieren zu können und auf gleicher Augenhöhe gemeinsam Entscheidungen fällen zu können, müssen noch Kompetenzen in der Schule vermittelt werden. So bedarf es aktiver Fortbildung der Schülerinnen und Schüler, ebenso müssen die Chancen, demokratische Strukturen zu bilden, verbessert und der Realität angeglichen werden. Darüber hinaus muss es Schülerinnen und Schülern überhaupt erst einmal ermöglicht sein, die favorisierte Schulart besuchen zu können.

Dies führt zu folgenden Forderungen:

Demokratie will gelernt sein

Demokratie ist eine Gesellschaftsform, die erlernt werden muss. Viele Regeln, Verordnungen und Gesetze hängen von ihr ab. Regeln, die Beteiligte können müssen, um ausreichend zu partizipieren. Wir fordern eine Demokratisierung von Schule, also auch mehr Partizipation seitens der Schülerinnen und Schüler. Dies ist jedoch nicht möglich, wenn Schülerinnen und Schüler ungebildet partizipieren sollen. Aus diesem Grund fordern wir ausreichende Fortbildungsmaßnahmen für Vertretungen der Schülerinnen und Schüler in Rheinland-Pfalz. Diese sollen für die Schülerinnen und Schüler gerecht gestaltet sein und kostenneutral vom Land angeboten werden. Dies kann in einer ähnlichen Form erfolgen wie die Elternfortbildung [§ 47]. Die LandesschülerInnenvertretung wäre bei solch einer Maßnahme natürlich bereit, dem fachlich zuständigen Ministerium zu helfen. Es steht jedoch außer Frage, dass solch eine Maßnahme angeboten werden muss. Vertreterinnen und Vertreter der Eltern haben laut aktuellem Schulgesetz ein Recht auf Fortbildung. Dieses erstreben wir nun auch für die Vertretung der Schülerinnen und Schüler. Maßnahmen in anderen Bundesländern zeigen den Erfolg dieses Entschlusses.

Strukturen brauchen Praxisnähe

Um erfolgreiche SchülerInnenvertretungsstrukturen zu gewährleisten, müssen praktikable Strukturen vorhanden sein. Hier sehen wir Raum zur Verbesserung.
In der Praxis erweist sich der Paragraf 33 Abschnitt (2) und (3) oftmals als unpraktikabel.
In nur wenigen Schulen werden, wie laut Gesetz vorgegeben, einzeln Sprecherinnen und Sprecher der Schülerinnen und Schüler gewählt. Oftmals stellen sich 3 bis 4 Schülerinnen und Schüler zu einem Team auf, welches zur Wahl als ein Team antritt und gegen andere Teams oder Einzelpersonen antritt. Diese gängige Praxis ist nach aktuellem Schulgesetz nicht legitimiert, wird jedoch häufig angewendet. Wir sehen keine realistische Chance, dass sich die Wahl der Vertretung für Schülerinnen und Schüler in absehbarer Zeit an den einzelnen Schulen ändern wird, da viele Schulen und die Vertretungen diese Methode favorisieren, und sie sich als geeignet herausgestellt hat. Aus diesem Grund fordern wir eine Anpassung des Schulgesetzes an dieses Wahlverfahren.

Beförderung von Schülerinnen und Schülern

Wir sehen, dass die im neuen Schulgesetz formulierte Gesetzeslage Schülerinnen und Schülern den Eintritt in den gymnasialen Bildungszweig verwehrt. Denn hier wird für Gymnasium und Integrierte Gesamtschule eine Eigenleistung beim Transport der Schülerinnen und Schüler gefordert. Dies können wir nicht akzeptieren. Bildung muss endlich kostenfrei werden. Die Begründung, dass die neue Schulform „Realschule plus“ nun als Pflichtschule angesehen wird, können wir nur kopfschüttelnd ablehnen. Die Industriegesellschaft stellt an Schülerinnen und Schüler längst höhere Anforderungen: Ohne Abitur fällt ein erfolgreicher Lebensweg immer schwerer. Die Politik der Benachteiligung der IGSen in diesem Punkt können wir nicht verstehen, da gerade die Integrierten Gesamtschulen durch das neue Schulgesetz gefördert werden.

Des Weiteren müssen wir uns die Frage stellen, wie es sein kann, dass Schülerinnen und Schülern von einer „Realschule plus“ zwei Kilometer Gehen zugemutet wird; Gymnasiastinnen und Gymnasiasten aber vier Kilometer. Sind dort andere Menschen? Sind Gymnasiastinnen und Gymnasiasten in der Regel sportlicher?

Gott im Schulgesetz?

Paragraf 1 (2) fordert eine Erziehung zur Selbstbestimmung in Verantwortung vor Gott. Es ist zu begrüßen, dass der Punkt der Selbstbestimmung schon lange im Schulgesetz verankert ist. Wir fragen uns jedoch, warum es heißt: „in Verantwortung vor Gott“?
Wir sehen, dass unsere Gesellschaft zwar Wurzeln eines christlichen Glaubens hat, sind aber der Meinung, dass dies nicht berechtigt, jemanden zur Verantwortung vor Gott zu erziehen. Zum einen sehen wir hier die Trennung von Staat und Kirche angegriffen. Zum anderen fragen wir uns, vor welchem Gott die Schülerinnen und Schüler sich verantworten sollen. Schließlich gibt es in Deutschland inzwischen viele vertretene Religionen und Glaubensrichtungen, sowie Schülerinnen und Schüler, die atheistisch erzogen wurden. Können diese nicht zur Selbstbestimmung erzogen werden, muss ihnen ein Gott aufgezwungen werden? Dies verstößt unserer Ansicht nach gegen die Glaubensfreiheit. Darum fordern wir, den Passus „in Verantwortung vor Gott“ zu streichen. Momentan impliziert das Schulgesetz, dass Schülerinnen und Schüler, die nicht zur Verantwortung zu Gott erzogen werden wollen, in diesem Gesetz keinen Platz finden.

Qualitätssicherung - Paragraf 97a (3)

Schule soll „gut“ sein. Schule soll Schülerinnen und Schüler in hinreichendem Maße aus- und fortbilden und dabei Qualitätsstandards erfüllen. Hierzu erkennen wir die Gründung der Agentur für Qualitätssicherung (AQS) an. Die dort gesetzten Qualitätsstandards können wir unterstützen.

In vielen Gesprächen mit der AQS hat die Agentur gezeigt, dass sie ein wichtiger und guter Partner im Bildungssystem von Rheinland-Pfalz ist. Dazu hat die große Transparenz und Freiheit der AQS-Befragungen und die durchaus schülerinnen- und schülerfreundliche Position der AQS beigetragen. Unter anderem ist es Teil der selbst gesteckten Ziele, Schülerinnen und Schüler nicht zur Teilnahme an den Umfragen zu zwingen. Dies ist auch nicht nötig, da die Schülerinnen-/Schülerbefragungsbögen eine Rücklaufquote von über 90% aufweisen.

Aus diesen Gründen fragen wir uns, weshalb die Befragung im Gesetz als verpflichtend verankert werden soll. Natürlich wissen wir, dass die AQS weiterhin die Möglichkeit hat, auf eine verpflichtende Befragung zu verzichten, allerdings sind wir mit der Möglichkeit der Zwangsbefragung nicht einverstanden. Denn innerhalb der Befragung werden persönliche, höchst intime Details aus dem Leben der Schülerinnen und Schüler abgefragt. So ist hier der datenschutzrechtliche Aspekt als besonders wichtig anzusehen. Wir denken, dass das Privatleben der Schülerinnen und Schüler, sowie der Eltern beziehungsweise Fürsorgeberechtigten vor der Evaluation der Schule stehen muss. Angesichts der aktuellen Lage gibt es keine Gründe, die für eine Verpflichtung sprechen würden.

Dessen ungeachtet befürworten wir die verpflichtende Teilnahme der Vertretungen der Schülerinnen und Schüler, da so sichergestellt wird, dass deren Meinung gehört wird.

Fazit

Insgesamt weist der Vorschlag zum neuen Schulgesetz erhebliche Kritikpunkte auf, trotz der für uns positiven Aspekte. Wir erkennen ebenso wie das fachlich zuständige Ministerium, dass unser jetziges Schulsystem nicht mehr aktuell ist und begrüßen eine Veränderung, jedoch nicht in der dargelegten Form. Wir sehen, dass die vorgeschlagene Form der „Realschule plus“ die aktuellen Probleme der Hauptschule nicht abschafft, und strukturelle Klassenprobleme noch verstärkt – hin zu einer Zwei-Klassen-Gesellschaft, in der sich Schülerinnen und Schüler sicherlich nicht wohl fühlen. Darüber hinaus erkennen wir, dass das Statement „Die Hauptschule schaffen wir ab“ falsch ist, denn in der kooperativen Form der „Realschule plus“ findet sie sich immer noch, in erschreckend abgegrenzter Art und Weise wieder. So können wir allenfalls die integrative Form der neuen Schulart „Realschule plus“ befürworten. Die einhergehende Aufwertung der Schulform IGS begrüßen wir im Gegensatz dazu, schlagen jedoch den Schulen vor, direkt den Weg zur IGS zu wagen, ohne eine „Realschule plus“ zu werden.

Des Weiteren begrüßen wir zwar das Ziel, die Klassenmesszahl zu verringern und eine gemeinsame Orientierungsstufe anzubieten, erkennen aber, dass dieses Ziel ein Scheinziel darstellt. Solange es keine Übergreifende Orientierungsstufe, das heißt einschließlich Gymnasium, gibt, ist der Ausdruck „Übergreifende Orientierungsstufe“ fehl am Platz.
Eine wirklich übergreifende Orientierungsstufe ist jedoch unsere Forderung, da wir sonst eine Verfestigung der Zwei-Klassen-Struktur befürchten. Länger gemeinsam lernen ist ein Ziel, von dem wir dachten, die Regierung hätte es sich auf die Fahne geschrieben. Hiervon können wir angesichts dieses Standpunktes jedoch nicht ausgehen. Darüber hinaus halten wir es zwar für einen ersten Schritt, die Klassenmesszahlen in der Orientierungsstufe auf 25 herabzusetzen, erkennen aber, dass gerade auf den kleinen existierenden Hauptschulen die Klassengröße oftmals schon die 25 unterschreitet. Die neue Schulart darf hier nicht zu einer Verschlechterung der Gegebenheiten führen. Darüber hinaus fordern wir die erniedrigte Klassenmesszahl für alle Jahrgangsstufen.

Als letzter Punkt bleibt das fehlende Bekenntnis zur Demokratie innerhalb der Schule zu bemängeln. Wir danken zwar für die Änderung des Paragrafen 35, fordern jedoch die logischen Konsequenzen einer größeren Mitbestimmung und der Möglichkeit dazu. Hierzu fordern wir das Stimmrecht im Schulträgerausschuss, die Umstrukturierung des Schulausschusses, sowie die Möglichkeit zu mehr Partizipation durch Informationsangebote wie SV-Fortbildungen.

Wir fordern aber auch und vor allem, dass jeder Schülerin und jedem Schüler der Besuch der gewünschten Schulart offen steht, unabhängig von Status und Einkommen der Eltern.

Der Vorstand 2008/2009 der LandesschülerInnenvertretung Rheinland-Pfalz