Statement zur Landtags-Anhörung zur Schulgesetz-Novelle 2014

Anhörung zur Schulgesetznovelle
im Bildungsausschuss des rheinland-pfälzischen Landtags
am 13.05.2014

- es gilt das gesprochene Wort -

Sehr geehrter Herr Vorsitzender, sehr geehrter Herr Staatssekretär Beckmann,
sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, sehr geehrte Gäste,

die LandesschülerInnenvertretung Rheinland-Pfalz begrüßt die längst überfällige Novellierung des Schulgesetzes sowie die grundlegende Idee der Stärkung der Inklusion und der Mitbestimmungsrechte der Schülerinnen und Schüler. Uns ist es wichtig, dass alle Schülerinnen und Schüler in den Lernprozess miteinbezogen werden und als eine große Gemeinschaft zusammenarbeiten.
Auf den LandesschülerInnenkonferenzen sieht man: Inklusion funktioniert, wenn man sie nur will. Eine Gesellschaft profitiert davon, dass viele Individuen zusammentreffen und sich austauschen, von ihren unterschiedlichen Stärken profitieren, um gemeinsam Großes zu ändern. Nach Unterschieden zu trennen, wie es in der Schule oft der Fall, ja sogar System ist, stärkt den einzelnen Menschen nicht und schafft auch keine Gesellschaft, die fähig ist, mit anderen Menschen zu kooperieren. So sollte gerade die Unterschiedlichkeit von Individuen als Chance und nicht als Hindernis empfunden werden.

So fordern auch wir die Inklusion und freuen uns, dass jene nun durch die Schulgesetznovelle gefördert wird und nun auch Rheinland-Pfalz der Verpflichtung nachkommt, jedem Menschen inklusiven Schulunterricht zu gewährleisten.
Von der wirklichen Wahlfreiheit der Eltern, auf welche Schule ihr Kind gehen soll, kann aber nur geredet werden, wenn beide zur Wahl stehenden Systeme ausreichend gefördert werden. Inklusiver Schulunterricht kann ohne weitere finanzielle Investitionen nicht gut funktionieren. Kleinere Klassen, Lehrerfortbildungen, pädagogische Kräfte sind nur einige der notwendigen Maßnahmen, um Schulunterricht im Sinne der Inklusion wirklich zu leben. Auch hier gilt: Wer an der Bildung spart, spart an uns, spart an der Zukunft, und spart somit an der falschen Stelle.
Die Inklusion ist ein Gewinn für alle. Gerade Unterschiedlichkeit offenbart die Möglichkeit, viel voneinander zu lernen. So kann eine wahre Schulgemeinschaft und in diesem Sinne auch eine inklusive Gesellschaft gefördert und ermöglicht werden.

Kommen wir nun zu der Stärkung der Rechte von Schülerinnen und Schülern.
Diese grundsätzliche Idee unterstützen und teilen wir.
Den aktuellen Entwurf können wir, die LSV RLP, allerdings in dieser Form nicht unterstützen - zu fadenscheinig sind die Stärkungen unserer Rechte, zu wenig demokratische Mitbestimmung haben wir, zu oft lassen noch autoritäre Strukturen durchblicken. Demokratieverständnis ist weder eine Veranlagung, noch ein Unterrichtsstoff, der durch das Lehren von Zahlen, Fakten und Beispielen erlernt werden kann. Demokratie muss gelebt werden! Eine Schule, die den Auftrag hat, zu verantwortungsvollem und demokratischem Denken zu erziehen, kann unmöglich selber undemokratisch organisiert sein, ohne gleichzeitig dieses Ziel bei weitem zu verfehlen.

Aufgrund dessen ist eines der größten Probleme, das wir als LandesschülerInnenvertretung Rheinland-Pfalz sehen, dass die Rechte der Schülerinnen und Schülern nicht ansatzweise an die der Eltern grenzen. Demokratie basiert auf gleichen Rechten, diese sind im Entwurf zur Schulgesetznovelle nicht vertreten. So wird der Schulelternbeirat zum Beispiel bei der Erstellung einer Hausordnung nach Paragraf 40 befragt, doch die Schülerinnen und Schüler bleiben nach wie vor auf der Strecke, wenn es um ihre Mitbestimmungsrechte geht.
Die LSV fordert demnach, dass auch wir Schülerinnen und Schüler darüber entscheiden sollten, wie auf der jeweiligen Schule gelebt und gelernt werden soll. Schließlich sind wir diejenigen, die sich an solche Regelungen halten sollen und müssen. Folglich sollten wir, im Sinne einer funktionierenden Demokratie, auch Mitbestimmungsrechte für solche Veränderungen haben. Warum Eltern hier eine tragende Rolle, trotz ihrer seltenen aktiven Teilnahme am Schulwesen und ihrer äußerst seltenen Anwesenheit auf dem Schulgelände haben sollen, entbehrt sich für uns jeglicher Begründung.

Dies ist auch der Grund, weshalb wir uns eine Umgestaltung des Schulausschusses wünschen. So, wie der Schulausschuss, auch nach der Novellierung des Schulgesetzes, aufgebaut ist, sehen wir uns als größter Teil der Schulgemeinschaft nicht genügend repräsentiert. Das Konzept der Schule beinhaltet die Schülerinnen und Schüler als entscheidenden Teil der Schulgemeinschaft, schließlich geht es hierbei um unsere Bildung als entscheidende Funktion der Schule; eine Berücksichtigung von nur einem Drittel in einem Entscheidungsgremium befinden wir deshalb als ungenügend.

Des Weiteren sind für uns die bisherige Konzeption des Schulausschusses und die Art der Beschlussfindung nicht tragbar, da Entscheidungen nur aufgrund des Konsens-Prinzips getroffen werden können. Konkret bedeutet dies, dass Lehrerinnen und Lehrer Entscheidungen von Schülerinnen und Schüler abblocken können, diese werden daraufhin über die Gesamtkonferenz geregelt, in der, wie allgemein bekannt, Schülerinnen und Schüler keine angemessene Vertretung besitzen. Im Moment haben wir SchülerInnen zwar Rede- und teilweise Stimmrecht in der Gesamtkonferenz, aber real stehen dann drei SchülerInnen oft 70 LehrerInnen und 3 weiteren Elternstimmen gegenüber. Wie soll Demokratie vermittelt werden, wenn Schülerinnen und Schüler die Erfahrung machen müssen, dass ihre vermeintlichen Mitbestimmungsrechte keinerlei Gehalt haben, wenn es um kritische Entscheidungen geht?

Deshalb lautet unser Vorschlag, einen Gegenpol zur Gesamtkonferenz zu bilden, der aus LehrerInnen, SchülerInnen und VertrauenslehrerInnen zu besetzen ist, damit eine demokratische Entscheidung nach wie vor möglich ist. Dieses Gremium, das sich Schulkonferenz nennen könnte, soll die Aufgaben des Schulausschusses weitestgehend übernehmen, da hier diejenigen vereinigt sind, die am Schulleben aktiv teilnehmen und somit auch die, die für eine demokratische Entscheidung von größter Bedeutung sind. Kommt es in diesem Gremium zu einer Pattsituation, könnten die VertrauenslehrerInnen dann die Entscheidung herbeiführen.

Zusätzlich zu dieser Schulkonferenz fordern wir aber auch mehr Rechte in der Gesamtkonferenz. In §27, Abs. 4, Satz 2 soll deshalb angefügt werden, dass die Vertreterinnen und Vertreter der Schülerinnen und Schüler an den Gesamtkonferenzen und allen sonstigen Konferenzen mit Ausnahme von Zeugnis- und Versetzungskonferenzen im angemessenen Umfang stimmberechtigt teilnehmen können. Die LSV fordert hiermit die Einhaltung des §31, Abs.1, der besagt, dass Schülerinnen und Schüler ein Recht auf Mitbestimmung über die Schulbildung haben.
Verantwortungsvoller Umgang mit demokratischer Macht kann nur durch Übertragung von Verantwortung wirklich gelernt werden. Deshalb können wir einen Entwurf, der die Rechte der Schülerinnen und Schüler vermeintlich stärkt, allerdings keine wirkliche Demokratie in Schulen einziehen lässt, nur als scheinheilig bezeichnen.

Ebenfalls bedauernswert finden wir es, dass die Primarstufe kein Stimmrecht in der Gesamtkonferenz erhält. Auch GrundschülerInnen haben Rechte und sollten mehr Möglichkeiten bekommen, diese wahrzunehmen. In der Grundschule können die Möglichkeiten und Chancen einer aktiven Mitbestimmung schon aufgezeigt werden, was langfristig eine größere Bereitschaft und Begeisterung für Demokratie hervorbringen kann. Ohne ein Stimmrecht in der Gesamtkonferenz, sei es auch nur durch eine Vertreterin oder einen Vertreter, wäre diese Demokratie nicht wirklich vorhanden und somit wären die Möglichkeiten einer demokratischen Einbindung gering. Falls eine Vertretung allerdings nicht zustande kommt, sollten GrundschülerInnen wie auch FörderschülerInnen die Möglichkeit bekommen, trotzdem gestaltend am Schulleben teilzunehmen. Wenn Grundsteine für Rechen- und Schreibkompetenzen in der Grundschule gelegt werden können, dann kann auch Mitbestimmungsrecht als eine wichtige Kompetenz in der Primarstufe thematisiert und gelebt werden.

Des Weiteren vermissen die Vertretungen der SchülerInnen die klare Formulierung ihrer Befugnisse. Diese sollten nun endlich im Schulgesetz festgehalten werden, um – ähnlich wie bei den Eltern – eine Rechtsgrundlage für deren Arbeit zu schaffen. Es ist für uns absolut nicht hinnehmbar, dass Eltern mehr Rechte in der Schule besitzen als wir, diejenigen, die den Großteil der Schulgemeinschaft stellen und der entscheidende Teil des alltäglichen Lebens an der Schule sind. So sollte zum Beispiel auch nicht nur der Schulelternbeirat die Gesamtkonferenz einberufen dürfen, nein, auch die KlassensprecherInnenkonferenz sollte diese Kompetenz besitzen.

Auch die LSV vermisst Rechte im Schulgesetz, wenn man sie mit jenen des Landeselternbeirats vergleicht. Darum fordern wir, dass ein §35a geschaffen wird, in dem redaktionell abgeändert der §45, Abs. 1-7 angefügt werden soll. Dies bedeutet, dass die Rechte des Landesselternbeirats auf die LSV umgeschrieben werden. Auch hier ist es uns nicht ersichtlich, warum eine Vereinigung von Eltern mehr Rechte über das Alltagsleben und die Zukunft von Schülerinnen und Schülern haben sollte, als diese selbst besitzen. Dies widerspricht zutiefst dem Gedanken einer demokratischen Struktur.

Schlussendlich fordern wir die Streichung der Formulierung „vor Gott" in §1, Abs. 2, Satz 1. Es ist heutzutage nicht mehr notwendig, SchülerInnen zu Demut vor Gott zu erziehen, zumal hier Menschen ausgegrenzt werden, die nicht an Gott glauben oder keiner monotheistischen Religion angehören. Da es auch Auftrag der Schule ist, im Sinne der freien Entfaltung zu agieren, siehe §1, Abs. 2, Satz 2, fordern wir die Streichung.

Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit. Der Rückhalt der Schülerinnen und Schüler sei Ihnen zugesichert, sofern Sie all unsere Forderungen erfüllen.

Hannah-Katharina Kiennen, Jonas Treibel
(für den Landesvorstand der LSV Rheinland-Pfalz)