Schüler wollen mehr über Sex reden

Forderung nach besserem Aufklärungsunterricht

Aufklärung, dafür stand früher vor allem „Dr. Sommer“ in der Bravo. Verschämt wurde die Zeitschrift von der damaligen Jugend unter der Bettdecke gelesen oder sich die Fotos nackter Teenager angeschaut, die das Thema Sex verbildlichen sollten.

Heute würde diese Art der Aufklärung vielen Jugendlichen vermutlich nur noch ein müdes Lächeln hervorlocken. Jedenfalls würde Sexualerziehung á la Dr. Sommer den wenigsten noch die Schamesröte ins Gesicht treiben. Die Gesellschaft ist offener geworden, weniger prüde. Viele Eltern reden freizügiger mit ihren Kindern über das Thema. Doch in vielen Schulen findet noch immer Aufklärungsunterricht wie früher statt. In den Grundschulen wird das Thema oftmals schnell im Sachkundeunterricht abgehakt.

Die „Feinarbeit“ überlässt man dann Sexualerziehern etwa von der Beratungsstelle Pro Familia. Aber auch nur dann, wenn Eltern ausdrücklich zugestimmt haben, dass ihr Kind von den außerschulischen Experten ein paar Stunden lang aufgeklärt wird. Auch an weiterführenden Schulen findet das Thema oftmals nur im Rahmen des normalen Biologie-Unterrichts statt, wenn es um das Thema Fortpflanzung geht. Den Schülern ist das nicht mehr zeitgemäß genug.

In einer gemeinsamen Erklärung der Landesschülervertretung aus Rheinland-Pfalz, dem Saarland, Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Hamburg, Hessen, Berlin und Brandenburg fordern sie „mehr Sex in Schulen“. Aufklärung sei in vielen Schulen „nur ein Thema für die letzten Minuten vor Ferienbeginn“, heißt es in einer Mitteilung der Schülervertretung. Zumeist werde über Sex im Unterricht unter biologischen Aspekten gesprochen, selten gehe es dabei um die wirklichen Bedürfnisse der Schüler, die „offen und unverkrampft“ über das Thema reden wollten.

Ute Keiber-Schon, Beraterin bei Pro Familia in Trier, gibt den Schülern recht. „Sexualerziehung verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz, der nicht nur biologische Faktoren umfasst, sondern den Menschen in seiner Ganzheit sieht“, sagt die Diplompädagogin. Sie fordert genau wie die Schüler, „dass Sexualkunde in der Schule losgelöst vom Biologieunterricht unterrichtet werden sollte“.

Im rheinland-pfälzischen Bildungsministerium sieht man keinen Handlungsbedarf. Ministeriumsprecher Wolf-Jürgen Karle verweist auf die seit 2009 geltenden Richtlinien zur Sexualerziehung. Die dort formulierten Grundsätze seien zeitgemäß. Darin heißt es, dass Sexualerziehung „eine fächerübergreifende Aufgabe“ sei. Im Landesschulgesetz findet sich aber der Passus, dass Sexualerziehung „mit der gebotenen Zurückhaltung“ unterrichtet werden soll. Das bedeute, dass das Verhältnis von Elternrecht und staatlichem Erziehungs- und Bildungsauftrag sehr genau beachtet werden müsse, sagt Karle. Die individuelle Sexualerziehung gehöre in erster Linie zu dem natürlichen Erziehungsrecht der Eltern. „Der Staat ist jedoch aufgrund seines Erziehungs- und Bildungsauftrages berechtigt, Sexualerziehung in der Schule durchzuführen.“


Trierischer Volksfreund, 30.11.2015


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