Und warum ist Trump kein Thema?

SWR-Beitrag zur Politischen Bildung an rheinland-pfälzischen Schulen

Von Viviane Chartier

"Nicht für die Schule, für das Leben lernen wir" - lautet ein Zitat. Doch wie sieht es damit tatsächlich aus? Werden bei uns im Land im Unterricht aktuelle politische Themen wie die US-Wahl ausreichend behandelt?

Donald Trump ist neuer Präsident der USA - die ganze Welt spricht über dieses unerwartete Wahlergebnis. Nicht so eine neunte Jahrgangsstufe eines Mainzer Gymnasiums, zumindest nicht im Unterricht. Weder der Klassenlehrer noch der Englischlehrer dieser Klasse verlieren auch nur ein Wort über die Wahlen oder befassen sich gar pädagogisch damit.

Kein Einzelfall: Während sich Schüler mit den philosophischen Grundlagen der Menschenrechte auseinandersetzen und über John Locke und der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung brüten, kleben an der ein oder anderen Litfaßsäule noch Plakate der AfD und ein paar Straßen weiter versuchen Flüchtlinge hier ein neues Leben aufzubauen.


Lehrer entscheiden, wie "aktuell" der Unterricht ist


Die Lehrpläne legen fest, mit was sich die Schüler beschäftigen müssen. Doch gibt es genügend Spielraum, damit Lehrer auf aktuelle Entwicklungen eingehen können? Die Welt wird schließlich immer komplizierter. Das Netz ist voller Informationen, gespickt mit Propaganda und populistischen Parolen.

Klaus Peter Hammer, der Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Rheinland-Pfalz sagt, dass es vor allem an den Lehrern selbst liegt, wie viel sie von aktuellen Themen in den Sozialkundeunterricht mit einfließen lassen. Dennoch kritisiert er, dass alle Schularten dem Fach zu wenig Bedeutung beimessen würden. Dabei sei der Unterricht hier schließlich "sehr elementar, um die Gesellschaft zu verstehen", so Hammer. Seiner Meinung nach sollten politische Themen stärker fächerübergreifend behandelt werden.


"Schüler sollten Demokratie in der Schule erleben können"


Und wie ist die Sicht der Schüler? Alexander Kouril ist Vorstandsmitglied der Landesvertretung für Schülerinnen und Schüler in Rheinland-Pfalz (LSV). Er fordert sogar Politikunterricht ab Klasse 5, mehr Projekt- statt Frontalunterricht und einen flexiblen Lehrplan, der sich an aktuellen politischen Ereignissen orientiert. Denn der Unterricht sei einfach "viel zu trocken und realitätsfern", klagt Kouril. Schüler sollten Demokratie bereits in der Schule erleben können, indem sie selbst über Themen, die für die Schule relevant seien, abstimmen können. "Man muss verstehen, warum Politik unerlässlich für jeden Einzelnen ist."

Sybilla Hoffmann ist Studiendirektorin am Sebastian-Münster-Gymnasium Ingelheim, sie kritisiert ebenfalls, dass Gesellschaftslehre erst in der 9. Klasse mit zwei Wochenstunden beginne und in der 10. Klasse nur eine Wochenstunde dafür vorgesehen sei. "Das ist überhaupt nicht ausreichend und viel zu spät." Wenn die Schüler nach der 9. oder 10. Klasse von der Schule abgingen, sei die Basis sehr dünn. Die 15- und 16-Jährigen hätten dann Lücken. "Das merke ich, wenn ich in der 11. Klasse das Wahlsystem wiederhole", sagt die Studiendirektorin.


"Viel Inhalt für geringe Stundenzahl"


Die Schwerpunkte des Lehrplans seien gut, so Hoffmann, aber das sei viel Inhalt für die geringe Stundenzahl. Frontalunterricht gebe es an ihrer Schule wenig. Man beschäftige sich mit Medien und mache Gruppenarbeit. Sie und ihre Kollegen versuchten außerdem, auch mit den Schülern rauszugehen. So stünden auch Gerichtsverhandlungen, ein Besuch an der Frankfurter Börse oder ein Interview-Termin mit einem Bürgermeister auf dem Programm. Dies brauche allerdings auch eine Vor- und Nachbereitung. Aktuelle Themen müssten im Politikunterricht angesprochen und könnten nicht auf andere Fächer abgewälzt werden. Dies gehe aber von der Zeit ab. Der Lehrer müsse dann entscheiden, was wichtig sei. Das Interesse der Schüler an politischen Themen sei groß. "Politikverdrossenheit kann ich nicht erkennen, vielleicht wenn es um Parteien geht", sagt Hoffmann.

Das Bildungsministerium des Landes weist darauf hin, dass politische Bildung auf vielfältige Weise stattfindet. Neben dem regulären Unterricht gibt es beispielsweise die sogenannten Demokratietage und Projektwochen wie "Schule als Staat". Außerdem arbeiteten 37 Modellschulen aller Schulformen an dem Projekt "Partizipation und Demokratie". Dabei werden Modelle für demokratische Lern- und Schulkultur entwickelt, erprobt und realisiert. Diese Erkenntnisse würden dann mit anderen Schulen geteilt. Ein weiteres Projekt sei die "Juniorwahl". Dabei haben sich 46.000 Schüler vor der Landtagswahl 2016 mit der politischen Lage im Land beschäftigt und in einer Abstimmung einen eigenen Landtag gewählt.


Politische Bildung im Unterricht:

In der Realschule plus werden die Fächer Sozialkunde, Erdkunde und Geschichte oder alternativ das Fach Gesellschaftslehre in den Klassenstufen 5-10 mit insgesamt 18 bis 19 Stunden unterrichtet. In der Integrierten Gesamtschule umfasst das Fach Gesellschaftslehre in den Klassenstufen 5 bis 10 insgesamt 19 Stunden. Im Gymnasium werden die Fächer des gesellschaftswissenschaftlichen Bereichs (Sozialkunde, Erdkunde, Geschichte) in den Klassenstufen 5 bis 10 (Sekundarstufe I) mit insgesamt 18 (altsprachliche Gymnasien) bzw. 19 Stunden (nichtaltsprachliche Gymnasien) in getrennten Fächern unterrichtet. In der gymnasialen Oberstufe (Sekundarstufe II) müssen aus dem gesellschaftswissenschaftlichen Aufgabenfeld zwei Fächer belegt werden. Wer Sozialkunde oder Erdkunde als Leistungsfach (4-stündig) wählt, muss zusätzlich das Grundfach Geschichte (2-stündig) belegen, bei Wahl des Leistungsfachs Geschichte das Grundfach Sozialkunde/Erdkunde. Wird kein Leistungsfach aus dem gesellschaftswissenschaftlichen Bereich gewählt, müssen die Grundfächer Geschichte und Sozialkunde/Erdkunde belegt werden. (Quelle: Ministerium für Bildung Rheinland-Pfalz)


Stand: 10.11.2016, 6.00 Uhr


Artikel-URL: http://www.swr.de/landesschau-aktuell/rp/politische-bildung-an-rheinland-pfaelzischen-schulen-schueler-fordern-aktuellen-politikunterricht/-/id=1682/did=18021346/nid=1682/88xfuu/index.html