Klimademo in Trier – „Uns geht es nicht ums Schwänzen“

Artikel im „Trierischen Volksfreund“ vom 13.03.2019

13. März 2019 | 16:46 Uhr

„Fridays for Future“ ist auf dem Schild mehrerer Schüler zu lesen. Die Jugendlichen demonstrierten auf dem Domplatz in Magedeburg für den Klimaschutz und den Kohleausstieg und ließen ihren Unterricht ausfallen.

Trier. Eine 15-jährige Triererin organisiert die Klimademo Fridays for Future und wehrt sich gegen Kritik an der Aktion.  

Von Bernd Wientjes

Schaut man sich die Facebook-Seite von Ronja an, erkennt man auf den ersten Blick, dass sich die 15-Jährige einem Thema verschrieben hat: Klimaschutz. Posten andere Teenager in ihrem Alter auf ihren Seiten Selfies vorm Spiegel, bei Parties oder mit Freunden, finden sich bei der Trierer Gymnasiastin ein Foto, das sie beim Unterschriftensammeln für den Antarktischen Ozean zeigt, an einem Stand der Umweltschutzorganisation Greenpeace oder bei den Protesten gegen den Kohleabbau im Hambacher Forst in Nordrhein-Westfalen.

Die Neuntklässlerin des Auguste-Viktoria-Gymnasium ist eine der Organisatoren der Fridays-for-Future-Proteste in Trier. Seit vergangenem Herbst engagiere sie sich bei der Aktion, die von der 16-jährigen schwedischen Schülerin Greta Thunberg initiiert worden ist. Seit August vergangenen Jahres bestreikt Thunberg jeden Freitag den Schulunterricht, um damit für die Umsetzung der Klimaziele einzutreten. Sie habe die Auftritte der Schwedin verfolgt und habe sich dann der Bewegung angeschlossen. „Greta ist extrem wichtig für uns“, sagt Ronja, betont aber, dass es nicht darum gehe, ihr nachzueifern.

Thunberg ist zum Gesicht der Fridays-for-Future-Proteste geworden. Und auch ihr Feindbild. Kritiker werfen der 16-jährigen Aktivistin vor, dass sie von Klimaschützern instrumentalisiert werde, dass sie von ihren Eltern für PR-Zwecke missbraucht werde. Thunberg sei längst nicht die einzige Jugendliche, die zur Symbolfigur für den Einsatz für Klimaschutz geworden ist, sagt der Trierer Soziologe und Jugendforscher Waldemar Vogelgesang (siehe Interview). „Es gibt weitere Jung-Aktivisten, die zu politischen Symbolfiguren im Kampf gegen Umweltzerstörung und Erderwärmung geworden sind.“ Als Beispiel nennt er den 21-jährigen Felix Finkbeiner und die von ihm mitgegründete Initiative Plant-for-the-Planet. Das idealistische Ziel des jungen Mannes: Er will weltweit 1000 Milliarden neue Bäume gegen den Klimawandel pflanzen.

Kritik gibt es aber auch an den Schülern selbst, die sich an den Freitagsprotesten beteiligen. Ihnen wird vorgeworfen, dass es ihnen gar nicht um Klimaschutz gehe, sondern darum, die Schule zu schwänzen. „Völligen Schwachsinn“ nennt Heimann diesen Vorwurf. „Wenn es uns nur ums Schwänzen ginge, würden wir nicht demonstrieren.“

Die Schüler nehmen in Kauf, dass sie unentschuldigte Fehlstunden kassieren. Die rheinland-pfälzische Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD) hat im Februar im Bildungsausschuss darauf hingewiesen, dass die Schulpflicht gelte. Schüler seien verpflichtet, den Unterricht zu besuchen. „Die Aktion Fridays for future ist ekennbar keine schulische Veranstaltung“, sagte sie. Es sei auch möglich, solche Aktionen außerhalb der Schulzeit zu organisieren. „Das“, so Hubig, „würde das Anliegen des Klimaschutzes sicher ebenso befördern.“ Lehrer dürften nicht explizit zur Teilnahme an den Demos aufrufen.

Nach Ansicht von Vogelgesang haben die Schüler die möglichen Sanktionen einkalkuliert. Sie seien „ein Mittel, die Ernsthaftigkeit ihrer Proteste zu unterstreichen. Straffreiheit käme dann einer Entwertung ihrer Ziele und Aktionen gleich“, sagt der Soziologe. Trotz der Mahnung an die Schüler, durch die Teilnahme an den Demonstrationen Fehlstunden zu produzieren, begrüßen Hubig, genau wie auch Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) das Engagement der Jugendlichen. Anders als der FDP-Chef Christian Lindner. Er zweifelt an der Kompetenz der Schüler, sich für Klimaschutz einzusetzen.

„Von Kindern und Jugendlichen kann man nicht erwarten, dass sie bereits alle globalen Zusammenhänge, das technisch Sinnvolle und das ökonomisch Machbare sehen“, sagte er kürzlich in einem Interview.

Die Mitorganisatorin der Protestaktion in Trier, Ronja, geht davon aus, dass die meisten der bis zu 600 Schüler, mit denen sie am Freitag in Trier rechnet, hinter den Zielen der Demo stehen und sich ernsthaft mit Klimaschutz auseinander setzten. Man könne natürlich den Teilnehmern nicht in den Kopf schauen, wisse nicht, ob sie nicht etwa nach dem zweistündigen Marsch durch die Stadt, sich einen Milchshake oder Kaffee im Plastik-Becher kauften oder sich sonst wie klimaschädlich verhielten.

Die Landesschülervertretung hat die Schüler aufgerufen, sich an den für Freitag im ganzen Land geplanten Aktionen zu beteiligen, trotz der Kritik und möglicher Sanktionen. „Wir sehen uns dazu gezwungen, das zu tun, was viele vor uns versäumten. Wir sehen uns dazu gezwungen, uns gegen eine Politik aufzulehnen, die den Klimawandel und seine Folgen nicht annähernd ernst genug nimmt“, sagt Aylin Gümüs, Vorstandsmitglied der Landesschülervertretung.

Das sieht auch Ronja so. Seit Jahren wisse man, dass man den Klimawandel stoppen müsse, nun müsse man endlich handeln, sagt die überzeugte Umweltschützerin. Sie hofft, dass es von nun an regelmäßig Fridays-for-Future-Proteste in Trier geben wird. Beim ersten Mal, im Januar, waren rund 300 Schüler dabei, „von der fünften bis zur 13. Klasse und von allen Schulformen“, sagt Ronja. Künftig soll es mindestens einmal im Monat einen Friday for Future in Trier geben.

Ein Interview zu dem Thema mit dem Soziologen und Jugendforscher Waldemar Vogelgesang gibt es hier.

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