Zur Sache: Landesschülervertretung beklagt undemokratische Strukturen

Artikel in der „Rheinpfalz“ vom 22.05.2018

Dienstag, 22. Mai 2018

Politik

Mit dem Segen von Lehrern und Schulleitung tagelang fehlen – das mag traumhaft klingen. Dennoch sind Jessica Beyer (19) von der IGS Kandel und Lutz Dietrich (18) vom Wilhelm-Erb-Gymnasium Winnweiler, beide im Vorstand der Landesschülervertretung (LSV), nicht zu beneiden. Denn wenn die Zwölftklässler Unterricht versäumen – und das ist gar nicht selten der Fall –, müssen sie den Stoff in Eigenarbeit nachholen.

Während Jessica in Sachen Mitbestimmung an Schulen mit drei Jahren LSV-Zugehörigkeit schon ein „alter Hase“ ist, hat Lutz erst in diesem Schuljahr angefangen, sich für die Schülervertretung zu engagieren. In wenigen Monaten stieg er von der Schülervertretung (SV) seines Gymnasiums über die des Kreises bis in die Landesvertretung und deren Vorstand auf. Auch wenn das Ehrenamt viel Stress bedeutet, sind Jessica und Lutz begeistert von ihrer Arbeit als Schülervertreter. „Wir haben gerade an der Schulgesetznovelle mitarbeiten können“, berichtet Lutz. Jessica erzählt von Nachtsitzungen in Jugendherbergen, vom Netzwerken mit Schülern aus dem ganzen Land und interessanten Kontakten zu politischen Entscheidungsträgern.

Einmal im Jahr wird die LSV gewählt. Da in dem Landesgremium Oberstufenschüler und nur wenige Zehntklässler arbeiten, stellten Gymnasiasten bisher die Mehrheit. Das verschiebe sich jetzt zugunsten von Schülern aus Integrierten Gesamtschulen, Realschulen Plus und Berufsbildenden Schulen, erzählt Jessica.

Die Fluktuation in den Schülervertretungen ist groß, langfristige Prozesse anzuschieben entsprechend schwierig. Neulingen fehle anfangs einfach die Routine, erklärt die Schülerin. Wenn man sich eingearbeitet habe, werde schon wieder neu gewählt. Dies wirke sich gerade bei den Vertretungen auf Schulebene häufig negativ aus, kritisiert Landeselternsprecher Thorsten Ralle. An einigen Schulen verkümmere die SV daher zu einem unpolitischen Festkomitee, die ihrer eigentlichen Aufgabe – Wahrnehmung von Schülerinteressen – nicht mehr nachkomme.

Auf Landesebene wird durchaus Politik gemacht. So haben die Schülervertreter eine Diskussion über die fehlende Transparenz in der Notengebung, insbesondere bei den Epochalnoten, angestoßen. Weitere Kritikpunkte sind der ihrer Meinung nach unnötige Stress, der durch die zeitweise Häufung von Klassen- und Kursarbeiten sowie von anderen Leistungsnachweisen hervorgerufen wird.

Die Landesschülervertretung fordert darüber hinaus ein rhythmisiertes Ganztagesangebot für alle Schüler und Schülerinnen, das Entspannungsphasen, Freiräume für Engagement und außerschulische Lernorte vorsieht. Die Halbtagsschule sollte ihrer Meinung nach mittelfristig abgeschafft werden.

Des weiteren setzen sich die Schülervertreter für eine schnellere Digitalisierung der Schulen und eine Verringerung des Unterrichtsausfalls ein. Aber auch Themen wie Inklusion und die Integration von Flüchtlingen stehen auf der Agenda.

Hart gehen die Schülervertreter mit den ihrer Meinung nach ziemlich autoritären Strukturen an vielen Schulen ins Gericht. Auch wenn im Schulgesetz stehe, dass Schule zur Demokratie erziehen solle, würden Argumente von Schülern oft nicht berücksichtigt und Diskussionen abgewürgt, heißt es im aktuellen LSV-Grundsatzprogramm. In den Gesamtkonferenzen der Schulen seien zwar alle Lehrkräfte, aber nur eine sehr geringe Anzahl von Schüler- und Elternvertretern stimmberechtigt. Dadurch ergebe sich ein Machtgefälle, das es Schülern fast unmöglich mache, ihre Interessen durchzusetzen.

Einfacher haben es dagegen die Schüler des Firstwald-Gymnasiums im schwäbischen Mössingen. In der mit dem Deutschen Schulpreis ausgezeichneten Schule bestimmen die Schüler mit: über einen Schulkonvent, in dem jeweils acht Lehrer und Schüler sitzen – plus Schulleiter. Seine Stimme kann also den Ausschlag geben. Im Schulentwicklungsteam entscheiden Schüler zudem bei didaktischen Fragen und Lernangeboten mit. Und ganz nebenbei üben die Jugendlichen demokratisches und verantwortliches Handeln ein.


Info

Die LSV vertritt die Interessen der rund 410.000 Schülerinnen und Schüler an den etwa 640 weiterführenden Schulen im Land. Weitere Infos unter www.lsvrlp.de


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